CEO Stefan Dörr im Interview mit dem Tagesspiegel

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Stefan Dörr träumt von der komplett autonomen Fabrik. Dort erledigen mobile Roboter selbstständig vielerlei Aufgaben innerhalb der Wertschöpfungskette. „Ich stelle mir eine große Flotte vor – eine Art Mainzelmännchen, die mich bei allen anfallenden Aufgaben unterstützen“, sagt der 35-Jährige. Der Fuhrpark wäre hoch spezialisiert: Ob Transportroboter, die Produkte von A nach B bringen, mobile Montageassistenten, automatische Qualitätssicherung über Drohnen oder autonome Lkw, die von Robotern entladen werden – nur mit dieser Vielfalt sei die notwendige Flexibilität und Effizienz gegeben, so der Ingenieur.

„Die Vision ist, ein sich komplett selbst organisierendes System zu entwickeln, das die Produktion am Laufen hält – quasi das Prinzip Smartphone für die Fabrik. Ein universelles Werkzeug, in das ich problemlos das integrieren kann, was ich benötige“, sagt Dörr. Davon sei man jedoch technologisch gesehen noch ein Stück entfernt, ergänzt er.

Fokus auf nicht-öffentlichen Raum

Sein Start-up Node entwickelt die Software für fahrerlose Transportroboter, die innerhalb einer Fabrik für einen autonomen und flexiblen Materialfluss sorgen sollen. Das Ziel sei eine Plug-and- Play-Lösung: Leiter einer Fabrik kaufen sich die Hardware in Form einer Roboterflotte von einem separaten Anbieter und bespielen diese mit der Node Software. Schon heute ersetzen Autonomous Mobile Robots (AMR), die mit Dörrs Software bespielt werden, weniger flexible Intralogistiklösungen, wie beispielsweise Autonomous Guided Vehicles (AGV), die auf festen Spuren geführt werden. Durch ein Warehouse Management System werden Aufträge generiert. „Je nach Größe, Ladezustand und Abarbeitungszeiten kommen unterschiedliche Fahrzeuge aus der Flotte infrage“, erklärt Dörr. Welcher Roboter letztendlich losfährt, definiert der Algorithmus. Die Transportroboter finden über Sensoren ihren Weg selbst und können so Hindernissen ausweichen.

Node fokussiere sich aus strategischen Gründen auf den nicht-öffentlichen Raum. „Wir hatten bereits Business Cases im öffentlichen Bereich, aufgrund veränderter Anforderungen, insbesondere im Bereich Sicherheit, sind diese für uns momentan jedoch weniger attraktiv“, sagt Dörr. Daher kommen die autonomen Roboterflotten nur innerhalb der Fabriken zum Einsatz.

Es ist laut Dörr noch Zukunftsmusik, dass sich die „Mainzelmännchen“ ihre Aufgaben selbst suchen. „Wir möchten immer mehr Autonomie in den Roboter bringen. Je mehr lokale Intelligenz entwickelt werden kann, desto weniger muss manuell definiert werden“, sagt er. Dafür müssten in Zukunft zielführende Algorithmen integriert werden. Außerdem müssten die Roboter in eine Cloud eingebunden werden, damit sie sich untereinander vernetzen und die benötigten Daten aggregieren können.

Roboter bauen statt Fußballprofi werden

Das Start-up wurde erst im November 2020 gegründet. Da verwundert es, dass bereits Schwergewichte wie Audi mit Bär Automation, der japanische Automobilzulieferer Denso und die BMW Group zu Nodes Kunden und Partnern zählen. Allein bei BMW seien bereits rund 400 Fahrzeuge mit unterschiedlichen Softwarekomponenten von Node ausgestattet. „Wir haben tatsächlich etwas Vorsprung, denn unser technologischer Ursprung geht bis ins Jahr 2013 zurück“, erläutert Dörr. Am Fraunhofer Institut forschte er damals als wissenschaftlicher Mitarbeiter an Produktionstechniken, Assistenzsystemen und der Automatisierung von Robotern. „Dort konnte ich die Anwendungsscheuklappen abnehmen und sehen, was möglich ist“, sagt er. Auch Nodes Team und die Mitgründer Jannik Abbenseth sowie Kai Pfeiffer kommen vom Fraunhofer Institut.

Dass er einmal autonom agierende Roboter entwickeln würde, hatte Dörr nicht für möglich gehalten. Geboren und aufgewachsen in Stuttgart, verfolgte er lange Zeit eine Karriere als Fußballprofi. Er durchlief einige Leistungszentren des VfB Stuttgart, doch plagten ihn immer wieder schwere Verletzungen. „Im Nachhinein waren die Verletzungen ein Segen, denn so war ich gezwungen, mich ernsthaft zu fragen: Was interessiert mich denn noch?“, sagt Dörr. Es dauerte dann noch die ersten zwei Jahre seines Studiums an der TU München im Fach Maschinenbau, bis er sich auf die Schwerpunkte Softwareentwicklung, Automatisierung und Regelungstechnik fokussierte.

Als Praktikant bei BMW arbeitete er schließlich an selbstfahrenden Autos und Fahrerassistenzsystemen und fing Feuer. „An Robotern fasziniert mich das Analytische und die Herausforderung, sie auf die Straße zu bringen“, sagt er. Es scheint, als reize ihn, das noch Unbekannte zu ergründen, denn Dörr begeistert sich außerdem für das Universum. Er träumt von einem Selbststudium der Astronomie, um eine Zeit lang in einem großen Observatorium zu arbeiten und die Sterne zu erforschen.

4 Fragen an Stefan Dörr

1. Welches Auto kaufen Sie als nächstes?
Keines. Ich hoffe, dass sich Carsharing und alternative Transportmittel so etablieren, dass ich keines mehr brauche. 

2. Wie halten Sie es mit dem Fliegen?
Ich fahre lieber Zug und hoffe darauf, dass hier das Angebot in Zukunft noch besser wird. Ab und an ist der Flug jedoch unausweichlich.

3. Wer gibt in der Mobilitätsbranche das Tempo vor?
Hier nur einen rauszupicken, wird der Vielzahl an relevanten Playern nicht gerecht. Aber in meiner Liste der Top 10 würde sicherlich Tesla auftauchen.

4. Wo würden Sie gerne das Rad neu erfinden?
Energiegewinnung.

von Maya Morlock

Der Artikel ist am 05.10.2021 in Tagesspiegel Background Verkehr & Smart Mobility erschienen.

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